


Der Wissenschaftler hatte das letzte Wort: „Es ist gut, dass heute dank Stefan Giebel ein Dialog über die Qualität des Trinkwassers im Kreis Steinfurt angestoßen wurde. So ein Dialog sollte vom Kreis regelmäßig mit allen Beteiligten geführt werden. Denn es hilft nichts, sich nur zu beschimpfen, es muss gemeinsam nach Lösungen gesucht werden.“ Als Professor Franz-Bernd Frechen, Wasserwirtschafts-Experte an der Uni Kassel, das sagte, waren fast zwei Stunden intensiver Diskussion vorbei – zwei Stunden, in denen es zwischenzeitlich hoch her ging.
Die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) hatte eingeladen. „Unser Wasser: Sauber und sicher?“, lautete die Frage. Rund 100 Bürger aus dem gesamten Kreisgebiet hatten sich in den Räumlichkeiten der Stadtwerke Emsdetten eingefunden, um zu hören, was Fachleute und Politiker zu diesem Thema sagen – und, um selber kräftig mitzudiskutieren. Viele Landwirte und Experten, die beruflich mit Wasserqualität zu tun haben, waren unter den Teilnehmern. „Eine Diskussion auf hohem Niveau“, freute sich der SGK-Kreisvorsitzende Andreas Sievert (Metelen), der den Abend moderierte.
Ansichten liegen weit auseinander
Direkt neben Sievert saßen zwei Männer auf dem Podium nebeneinander, die in ihren Ansichten weit auseinander liegen. Das wurde immer wieder deutlich, wenn sich Johann Prümers, Landwirt und Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, und Michael Harengerd, Vorstandsmitglied beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Münsterland und Leiter der Biologischen Station in Münster, zu Wort meldeten.
Weit besser zueinander passten die Ansichten der drei Männer auf der anderen Seite des Tisches: SPD-Landratskandidat Dr. Stefan Giebel, Emsdettens Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Schmidt und Professor Franz-Bernd Frechen lagen oft auf einer Linie.
Kreis Steinfurt ist „Problemgebiet“
Frechen verdeutlichte, dass der Kreis Steinfurt beim Wasser zu den „Problemgebieten“ in Deutschland gehöre. Vor allem die Gülle aus der Massentierhaltung belaste das Grundwasser. Zwei Drittel unseres Trinkwassers würden aber aus diesem Grundwasser gewonnen. Man müsse daher auch die gesundheitlichen Risiken im Blick haben. Frechen nannte als Stichworte Jodmangel, Blausucht (infolge von Sauerstoffknappheit), aber auch eine potentiell krebsauslösende Wirkung, die vom Nitrat beziehungsweise dem durch chemische Prozesse im menschlichen Körper entstandenen Nitrit ausgehe.
Teure Aufbereitung
Der Wissenschaftler stellte verschiedene Lösungen vor, um die Nitrit-Gefahr zu reduzieren. Maßnahmen seien das Verschneiden (Mischen) des belasteten mit weniger belastetem Wasser, tiefere Förderbrunnen, die Verlagerung von Brunnen, sogar die sehr kostspielige Verlagerung des Wasserwerkes selbst. Außerdem gebe es verschiedene technische Aufbereitungsmaßnahmen, die allerdings in Deutschland derzeit noch kaum angewandt würden – „weil sie schlicht zu teuer sind“, so Frechen.
Giebel: Landwirtschaft aus der Falle herausführen
SPD-Landratskandidat Stefan Giebel forderte, man müsse die Landwirte bei der Suche nach Lösungen „mit auf den Weg nehmen, es geht nur mit ihnen, nicht gegen sie.“ Er machte deutlich, dass unbelastetes, gutes Wasser im Interesse der Bauern liege, kämen doch sonst auch auf sie hohe Kosten zu, um Vieh und Felder mit Wasser zu versorgen.
Giebel, der sich als Kommunalpolitiker seit Jahren mit dem Thema Wasser beschäftigt, sagte aber auch, das Problem müsse viel grundsätzlicher angegangen werden: „Die Landwirtschaft muss herausgeführt werden aus der systembedingten Falle der Massentierhaltung, wo es nur um ‚immer mehr und immer größer‘ geht, weil die großen Lebensmittelkonzerne eine Preispolitik des ‚immer billiger‘ wollen, um ihre Profite immer höher zu schrauben.“ In diesem System bliebe den Landwirten kaum genügend Ertrag, um ihre Existenz zu sichern. „Statt Massentierhaltung und Massenproduktion brauchen wir deshalb qualitativ hochwertige Produkte, die vernünftigen Preis erzielen und deren Herstellung die Nachhaltigkeit für unser Wasser und unseren Boden beachtet“, so sein Appell an die Landwirte.
Was wollen wir: Billiges Fleisch oder teures Wasser?
Jürgen Schmidt, Geschäftsführer der Stadtwerke Emsdetten, argumentierte ähnlich. „Für mich fängt das Problem ganz oben an. Unsere Landwirte sind in ein System eingezwängt, in dem sie sehen müssen, wie sie überleben.“ Er frage sich: „Warum muss Fleisch so billig sein? Wer profitiert davon? Doch der, der es billig verkaufen und exportieren kann! Das Fleisch ist dann dort, die Gülle aber bleibt hier!“, sagte Schmidt. Man müsse sich entscheiden: „Billiges Fleisch oder teures Wasser?“
Wie lange schützt der Boden das Wasser noch?
Der Geschäftsführer der Stadtwerke, die neben Emsdetten noch Laer, Horstmar, Schöppingen, Saerbeck und Metelen mit Trinkwasser versorgen, betonte, das Emsdettener Wasser habe eine gute Qualität, es sei nur mit 2 Milligramm Nitrat pro Liter belastet, weit unter dem Grenzwert von 50 mg/l. Das erkläre sich mit der guten Bodenqualität, wie Martin Bäumer, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke Emsdetten erläuterte. Das im Boden enthaltene Eisensalz Pyrit wandele Nitrat in Härte um, die von den Wasserwerken über eine Enthärtungsanlage wieder entfernt werde – was auch heute schon den Wasserpreis verteure. Aber, so sagte Schmidt: „Wir machen uns Sorgen. Wie lange reicht der Boden noch, um unser Wasser zu schützen?“
Prümers kritisiert Messstellen-Diagnostik
Für Johann Prümers, den Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, stellt sich die Problematik weniger dramatisch und vor allem ganz anders dar. Er kritisierte die Messstellen-Diagnostik der Landesbehörden, wonach der Kreist Steinfurt ein Risikogebiet ist. „Da wird doch nur punktuell, aber nicht flächendeckend gemessen. Deshalb ist die Aussage, es gebe Stagnation, ja sogar Verschlechterung der Wasserqualität, aus unserer Sicht unzutreffend.“
Wie groß ist das Risikogebiet im Kreis?
Wenn vernünftig gemessen würde, käme man zu ganz anderen, viel besseren Ergebnissen. Nicht die von den Behörden genannten 70 Prozent des Kreisgebietes, sondern allenfalls 30 Prozent seien als „Risikogebiet“ in Sachen Nitratbelastung des Grundwassers einzustufen. „Das ist zwar immer noch zu viel“, gab er zu, aber die Landwirte arbeiteten sehr „wassersensibel“, allein schon deshalb, weil eine Überdüngung auch Geld koste.
Prümers verwies auf die Kooperationen, die seit 1989 zwischen Landwirten und örtlichen Wasserversorgern eingegangen wurden, in seinen Augen ein Erfolgsmodell. 8000 Hektar Kooperationsfläche seien im Kreis inzwischen ausgewiesen. „Wir haben weitgehend gutes Wasser im Kreisgebiet, das ohne weitere Aufbereitung verteilt werden kann.“
Noch nicht am Ziel
Der Landwirte-Funktionär sagte weiter: „Es gibt in den letzten Jahren schon viele Verbesserungen, wir sind aber noch nicht am Ziel.“ Man sei aber mit einem ganzen Maßnahmenbündel unterwegs, von der zielgenaueren Düngung bis hin zu Dünge-Dokumentation und Güllebörsen. Man müsse aber auch Geduld haben: „Beim Wasser ist eine lange Vorlaufzeit von 10, 20 oder 25 Jahren nötig, bis der Grundwasserkörper reagiert.“
Sauer reagierte Prümers auf nach seiner Ansicht „pauschale Vorwürfe“ mit Schlagworten wie Massentierhaltung, Vergiftung des Grundwassers, Nitrat-Gefahr. „Um es klar zu sagen: Eine Landwirtschaft wie vor 50 Jahren kann es heute nicht mehr geben, und ebenso wenig können die Betriebe auf den Export ihrer Produkte verzichten.“ Unterstützung erhielt er von etlichen Landwirten im Publikum, die das Nitrat-Problem relativierten und nicht alleine den Bauern angelastet sehen wollten. Ein Landwirt aus Greven: „Ich bin nicht bereit, mich pauschal als Umweltverschmutzer verunglimpfen zu lassen.“
Kooperationen reichen nicht aus
Michael Harengerd vom BUND ließ solche Argumente nicht gelten: Kooperationen zwischen Wasserwirtschaft und Landwirten würden nicht ausreichen, um das Grundwasser zu schützen, das hätte sich zum Beispiel auch bei einer Untersuchung in Ahaus gezeigt. „Es geht nur mit einer Verringerung des Düngeeintrages, und das wiederum erfordert eine Anpassung der Viehmenge an die Fläche.“
Stattdessen, so sei es im Amtsblatt des Kreises Steinfurt praktisch jede Woche nachzulesen, werde „eine Mastanlage nach der anderen“ im Kreis genehmigt. „Wenn wir unser Grundwasser in Ordnung bringen wollen, dann geht das nicht mit mehr, sondern nur mit weniger Massentierhaltung“, wandte sich Harengerd direkt an Johann Prümers, der allerdings abstritt, dass die Landwirte im Kreis Steinfurt „auf Masse“ setzten. Harengerd konterte mit der Aussage eines hohen Kreismitarbeiters, der erst kürzlich darauf hingewiesen habe, dass „die Landwirtschaft im Kreis Steinfurt an manchen Stellen ihre Wachstumsgrenzen erreicht hat.“
Kreis Steinfurt hat höhere Viehdichte als Vechta
Wörtlich sagte der BUND-Vertreter: „Vechta gilt als das Schweinezentrum Deutschlands, es stinkt doch schon, wenn man nur an Vechta denkt. Aber: Die Kreise Steinfurt und Borken haben Vechta inzwischen bei der Viehdichte überholt.“ Harengerd griff auch das Argument von Prümers auf, die Landwirte hätten großen Anteil an der „wunderschönen münsterländischen Parklandschaft“. Harengerd: „Mich rufen Leute aus ganz Deutschland an, die die Nase davon voll haben, in ihrem Urlaub stundenlang nur noch durch Maisgebiete zu radeln. Von wegen münsterländische Parklandschaft!“
Am Ende der Diskussion blieb der Appell von SPD-Landratskandidat Stefan Giebel und Professor Franz-Bernd Frechen, den Dialog unbedingt fortzusetzen – trotz aller Meinungsunterschiede. Es wird auch wohl gar nichts anderes übrig bleiben, wie Moderator Andreas Sievers sagte: „Beim einem der letzten großen Gipfeltreffen waren sich alle Politiker einig, dass die Wasserkrise das wichtigste Thema der Zukunft wird.“
Weitere Bilder zu der Veranstaltung auf der Homepage des Landratskandidaten Dr. Stefan Giebel unter "Durch meinen Wahlkreis"