Kommunen müssen sich stärker für bezahlbare Wohnungen engagieren

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Noch vor wenigen Jahren schien Wohnungsnot im Kreis Steinfurt auf lange Sicht kein Thema zu sein. Vorausgesagt wurden Bevölkerungsschwund und Leerstand. Doch diese Prognosen sind überholt: „Ich möchte zwar nicht von Wohnungsnot wie in manchen Metropolen sprechen, aber die Lage ist auch bei uns angespannt.“ Das sagte Jürgen Blömker, Leiter für Wohnraumförderung in der Kreisverwaltung, jetzt in einer Informations-Veranstaltung der SPD zum Thema „Bezahlbarer Wohnraum“.

Um mehr als zehn Prozent wird die Zahl der Privathaushalte in den nächsten Jahren im Kreis Steinfurt steigen. Das geht aus Zahlen der Landesstatistiker der NRW-Bank hervor, die Blömker vorlegte. Der Anstieg hat in erster Linie etwas mit Attraktivität zu tun: „Der Kreis Steinfurt ist ein starker Wirtschaftsraum, in den viele Arbeitskräfte ziehen“, sagte Blömker. Hinzu kämen demografische und gesellschaftliche Faktoren: Mehr ältere Menschen, mehr Single-Haushalte, die jeweils auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Wohnungen brauchen.

Kreis hat landesweit einen der höchsten Bedarfe
Die Zunahme der Haushalte wirkt sich unmittelbar auf den Bedarf nach neuen Wohnungen und zusätzlichem Bauland aus. Köln, Düsseldorf, Aachen, Dortmund, Bielefeld – danach kommt schon der Kreis Steinfurt: „Wir stehen landesweit auf einem Spitzenplatz“, so Blömker. Die Zuwanderung der Flüchtlinge spiele in diesem Zusammenhang auch eine Rolle, allerdings eine geringere als vermutet, betonte Blömker. „Auch ohne Flüchtlinge hätte der Kreis Steinfurt einen der größten Wohnungsbedarfe in ganz NRW.“

„Welche Schlussfolgerungen muss die Politik daraus ziehen?“, wollte Andreas Sievert, Kreisvorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK), wissen. Die SGK hatte Blömker zu der Info-Veranstaltung ins TaT-Zentrum in Rheine eingeladen.

Vor allem altengerechte Wohnungen nötig
Blömkers Antwort war eindeutig: „Die Städte und Gemeinden müssen sich wieder mehr in der Wohnraumförderung engagieren.“ Die Zeit für neue Mietwohnungen in den Kommunen sei gekommen. „Ich kann den Städten nur dringend dazu raten, hier etwas zu tun“, so Blömker.

Eine Hauptaufgabe müsse dabei sein, für ältere Menschen ortsnahe und altersgerechte Wohnungen zu bauen. „Und allein schon wegen der sinkenden Renten müssen sie für Einkommensschwache bezahlbar sein“, sagte Blömker.

Er wies darauf hin, dass sich die Kommunen viele Jahre aus der Aufgabe, günstige Wohnungen zu schaffen, zurückgezogen und alles der privaten Wohnungswirtschaft überlassen hätten. „Jahrelang wurden die Fördertöpfe nicht ausgeschöpft. Erst jetzt, auch unter dem Druck, dauerhafte Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen, kehren die Städte zum öffentlich geförderten Wohnungsbau zurück.“

Jährlich 800 Millionen Euro stelle das Land NRW in seinem aktuellen Wohnraumförderprogramm zur Verfügung, erläuterte der Fachmann. Allerdings würden die Mittel kaum ausreichen. Seit Oktober 2015, als das Land Tilgungsnachlässe einführte, sei die Zahl der Anträge explodiert. Die Folge: „Das Förderkontingent des Kreises Steinfurt für 2016 ist voll ausgeschöpft. Sämtliche 8,2 Millionen sind bereits für geplante Projekte gezeichnet“, sagte Blömker.

Dennoch ermunterte er die anwesenden Politiker aus dem Kreis Steinfurt dazu, weiterhin Anträge auf öffentliche Förderung zu stellen: „Die Landesregierung zieht bereits einen Nachtragshaushalt für die Wohnraumförderung in Erwägung, und ich bin zuversichtlich, dass da mehr Geld fließt.“

Appell an Städte und Gemeinden
Mit einem Zahlenwerk aus Darlehnshöhe, Laufzeit, Zins und Tilgung untermauerte Blömker in der Veranstaltung, dass sich die Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderung für Investoren auch rechnet. Insbesondere beim Bau altengerechter Wohnungen sowie bei der Schaffung dauerhafter Unterkünfte für Flüchtlinge geben es differenzierte Fördermöglichkeiten. „Mein Appell an die Kommunen: Steigen sie da ein, denn privatwirtschaftliche Rendite darf nicht wichtiger sein als bezahlbarer Wohnraum.“

Diskutiert wurde in der gut besuchten SPD-Runde auch die Frage, ob der Kreis Steinfurt nicht eine Wohnungsbaugesellschaft gründen und selbst aktiv werden könne. Blömker sagte, eine solche Überlegung mache durchaus Sinn. Manche Kommune sei zu klein und brauche Hilfe in ihren wohnungsbaupolitischen Aktivitäten. Entschieden werden müsse das aber von der Politik im Kreishaus.

Fehlbelegungsabgabe fehlt
Kritik übten die SPD-Politiker daran, dass 2006 unter der Regierung Rüttgers die sogenannte Fehlbelegungsabgabe im öffentlich geförderten Wohnungsbau abgeschafft wurde. Die Abgabe war eine Ausgleichszahlung des Mieters bei zu hohem Einkommen. Blömker teilte die Kritik – und zeigte das am Beispiel der Stadt Münster: „Da zieht jemand als Student ein, und als Professor zahlt er heute immer noch die gleiche, sehr günstige Miete.“

Foto: Jürgen Blömker, Sachgebietsleiter der Wohnraumförderung beim Kreis Steinfurt, sprach auf Einladung der SPD über die Notwendigkeit von bezahlbarem Wohnraum. Links SGK-Kreisvorsitzender Andreas Sievert.