


Gut aufgestellt ist der Rettungsdienst im Kreis Steinfurt. Moderne Wachen, technisch top ausgestattete Fahrzeuge, hervorragend geschulte Einsatzkräfte, kurze Fristen vom Alarm bis zum Eintreffen am Unglücksort. Dennoch gibt es einige Sorgen um die „112“. So bereitet etwa der Missbrauch dieser Nummer zunehmend Kummer.
„Die Hemmschwelle, die 112 zu wählen, wird immer geringer. Manchmal ist das fast unverschämt, weswegen angerufen wird.“ Das sagte Dr. Karlheinz Fuchs, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Steinfurt, jetzt gegenüber der SPD-Kreistagsfraktion. Die Politiker trafen Fuchs anlässlich einer Besichtigung der neuen, 2015 erbauten Rettungswache in Borghorst.
Ersatz für fehlenden Arzt-Notdienst
„Unsere Wachen sind zunehmend Ersatz für den stark ausgedünnten Bereitschaftsnotdienst der Ärzte“, so Fuchs. Nicht selten werde wegen Kleinigkeiten angerufen. „Da ist am Telefon von schweren Blutungen die Rede, am Ende war es dann nur ein eingerissener Fingernagel“, nannte Fuchs eines von vielen Beispielen.
Im Schnitt 40 Mal am Tag müssten die Kräfte der Rettungswachen im Kreis Steinfurt sogar wegen eines grippalen Infektes ausrücken. „Das bindet Kräfte für die wirklich lebensbedrohlichen Notfälle. Irgendwann schaffen wir es so nicht mehr, in der lebensrettenden Frist vor Ort zu sein.“
SPD nimmt KV in die Pflicht
SPD-Fraktionschefin Elisabeth Veldhues nahm in diesem Zusammenhang die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in die Pflicht: „Es besteht Gesprächsbedarf. Die Einschnitte bei den ärztlichen Bereitschaftsdiensten dürfen nicht auf den Schultern der Rettungsdienste ausgetragen werden.“ Fuchs hat da wenig Hoffnung: „Die KV wissen doch um das Problem.“
Ein weiterer Aspekt, bei dem auch aus SPD-Sicht Handlungsbedarf besteht, ist die Bezahlung der Mitarbeiter in den Rettungswachen. So werden die Rettungsassistenten mit einer Einstufung nach der Entgeltgruppe 5 des öffentlichen Dienstes „schlechter bezahlt als jeder kleine Sachbearbeiter in einem Rathaus“, wie Fuchs sagte. Auch die verbeamteten Kräfte der Rettungswachen, nach seinen Worten so etwas wie „Notärzte light“, kommen derzeit nicht über die Gehaltsstufe A7 hinaus.
„Das sind alles hoch qualifizierte Leute, die Menschenleben retten können“ , sagte Fuchs: „Wir fordern wenigstens die Gehaltsstufe A9, und das haben wir dem Landrat auch schon geschrieben.“ Für den neuen Beruf des Notfallsanitäters zeichne sich immerhin eine bessere Einstufung ab.
Kampf um die besten Köpfe
Im Hinblick auf die Qualifizierung zum Notfallsanitäter hat der Kreis Steinfurt übrigens eine Vorbildrolle für das Land NRW übernommen: Statt der üblichen 1000 Stunden reichen in Rheine bei gleichem Ausbildungsstandard 240 Stunden, um die staatliche Prüfung zu absolvieren. Knapp 40 Kräfte sind auf diese Weise bereits in Rheine für den neuen Beruf fit gemacht worden.
„Uns geht es beim Personal um Qualität. Wir kämpfen um die besten Köpfe. Aber wenn man sie gewinnen will, muss man sie auch besser bezahlen“, betonte Fuchs.
Immer mehr Einsätze
Wie wichtig top ausgebildete Kräfte in den Rettungswachen sind, verdeutlichte auch die Zahl der Einsätze. Sie ist in den vergangenen zehn Jahren um 45 Prozent gestiegen, allein seit 2011 um 28 Prozent. Im vergangenen Jahr fuhren die Teams der Rettungswachen im Kreis Steinfurt rund 60 000 Einsätze. Bei etwa jedem fünften Einsatz waren Notärzte mit an Bord – auch deren Bezahlung lässt zu wünschen übrig. „Rufen Sie mal einen Schlüsseldienst in der Nacht. Für 16 Euro netto kommen die nicht raus!“, zog Fuchs einen Vergleich.
Zwei neue Rettungswachen
Mit der Borghorster Wache, deren Bau und Einrichtung eine Million Euro kostete, gibt es derzeit im Kreis Steinfurt 14 Rettungswachen. Geplant sind zwei weitere Wachen: Ein Standort steht mit Rheine rechts der Ems fest, der zweite wird vermutlich im Raum Altenberge/Laer entstehen, wie Fuchs auf Nachfragen der SPD-Politiker andeutete.
Die Neubauten seien gerechtfertigt, um in allen Notfällen in einem so großen Einzugsgebiet wie dem des Kreises Steinfurt rechtzeitig am Unglücksort zu sein, betonte der Leitende Notarzt.
ZUSATZINFOS
Fotos:
1) Der Leitende Notarzt des Kreises, Dr. Karl-Heinz Fuchs (l.), stellte den SPD-Mitgliedern auch die Rettungsfahrzeuge vor.
2) Dr. Karlheinz Fuchs.
3) Besuch in der neuen Rettungswache in Borghorst: Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion erhielten wichtige Informationen von Dr. Karlheinz Fuchs, dem Leitenden Notarzt im Kreis Steinfurt (6.v.l.). Sie erfuhren unter anderem, dass das Rettungspersonal zunehmend weiblicher wird – wie man an den anwesenden Rettungsassistentinnen Anna Lüdke und Lena Gottschalk (r.) sehen konnte.