


Überwintern auf „Malle“, im Frühling Städtetouren, im Sommer an die See, den Rest des Jahres die Beine hoch und höchstens mal die Enkel aufpassen – das Rentnerleben als Paradies. Von wegen. Das scheinbar schöne Leben ist pure Illusion: „Eine Million Rentner muss schon heute einen Nebenjob machen, um über die Runden zu kommen. Und es werden immer mehr, die von Armut im Alter bedroht sind.“
Das sagt Gerhard Kompe, bundesweit anerkannter Rentenfachmann und Ehrenvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft (AG) „60 plus“. Er fordert eine grundlegende Wende in der Rentenpolitik. In Lengerich stellte er jetzt das von der AG entwickelte Reformpapier vor. Die Hauptforderungen dieses Papiers, das am Samstag auf dem Landesparteitag der SPD in Bochum beraten wird: „Es muss solidarisch und gerecht zugehen. Eine neue Rentenpolitik muss sowohl die ältere wie auch die jüngere Generation gleichberechtigt im Blick haben“, sagte Kompe.
Riester-Rente hat völlig versagt
Dazu müsse die gesetzliche Rentenversicherung endlich wieder gestärkt und nicht wie bisher immer weiter geschwächt werden. „Das geltende Drei-Säulen-Modell mit Riester-Rente und Betriebsrente, das die gewollte Absenkung der gesetzlichen Renten auffangen sollte, hat doch völlig versagt“, so der Rentenfachmann. „Wie soll denn eine alleinerziehende Mutter vier Prozent ihres knappen Einkommens in die Riester-Rente stecken, wenn sie schon Mühe hat, Essen und Kleidung für ihre Kinder zu bezahlen?“ Nicht einmal 15 Prozent der unteren Einkommensschichten könnten sich Riester überhaupt leisten.
Schluss mit Zwei-Klassen-Rente
Das Ziel des von der AG „60 plus“ angestrebten Reformvorhabens sei letztlich eine einzige Versicherung für alle Erwerbstätigen, in die dann auch ausnahmslos alle einzahlen: „Das gilt für Selbstständige ebenso wie für alle künftigen Beamten.“ Das bisherige System von knapp 30 berufsständigen Versorgungswerken, die alle zahlreiche Extra-Würste für ihre Klientel vereinbarten, könne dann abgeschafft werden. „Es muss Schluss sein mit einer Zwei-Klassen-Altersversorgung“, hieß es in Lengerich.
Kompe erntete für seine Ausführungen große Zustimmung bei den Zuhörern, die auf Einladung der AG „60 plus“ des SPD-Unterbezirks Kreis Steinfurt in die AWO-Begegnungsstätte in Lengerich gekommen waren und viele Details mit dem Fachmann diskutierten. Es herrschte dabei Einigkeit: „Wenn es so weitergeht wie bisher, führt das in die Rentenkatastrophe“, brachte es Reinhold Hemker, stellvertretender Bundesvorsitzender der AG 60 plus, auf den Punkt. Der Rheiner SPD-Politiker hat das Reformpapier mit erarbeitet.
Rente muss Löhnen in vollem Umfang folgen
Die gesetzliche Rentenversicherung müsse deshalb umfassend reformiert werden. Ziel sei es, dauerhaft ein Renten-Niveau von mindestens 50 Prozent zu erreichen. „Das bedeutet: „Die Renten müssen den Löhnen wieder in vollem Umfang folgen, sie dürfen bei der Berechnung nicht länger davon abgekoppelt werden“, forderte Kompe.
Insbesondere die ab 2025 wesentlich höhere Zahl der Rentner durch die Generation der „Baby-Boomer“ aus den frühen 60-er Jahren werde die Situation dramatisch verschärfen. Für diese Belastung müsse jetzt ein Fonds aufgebaut werden. „Klar ist, dass wir dafür einen Beitragssatz von über 22 Prozent brauchen.“
Der Satz soll daher laut dem Reformpapier kontinuierlich steigen. 25 Prozent seien eine realistische Größe. Dabei, so betonte Kompe, würden die Arbeitnehmer aber keineswegs mehr belastet als durch das heutige Drei-Säulen-Modell.
Zurück zur gleichen Beteiligung
Denn: „Wir wollen zurück zur paritätischen Beteiligung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Das heißt bei 25 Prozent für jeden 12,5 Prozent. Machbar!“, betonte Kompe.
Er hofft, dass es am Samstag beim Landesparteitag genauso viel Zustimmung gibt wie jetzt in Lengerich. Denn dann könnte das Papier der AG „60 plus“ in das Programm der SPD zur Bundestagswahl einfließen – und die Weichen für eine neue sozialdemokratische Rentenpolitik stellen. Und vielleicht sogar für eine neue Regierungspolitik. Denn in Lengerich meldete sich auch ein grüner Rentenfachmann zu Wort. Klare Ansage: Ja zu den neuen Plänen der SPD.
Fotos:
1) SPD-Rentenfachmann Gerhard Kompe stellte das Reformpapier vor, das die AG „60 plus“ erarbeitet hat.
2) Auf dem Renten-Podium in Lengerich (von rechts): Gerhard Kompe, Horst Dieter Knüppels (kommissarischer Vorsitzender der AG „60 plus“ im Unterbezirk Steinfurt), Horst Schenke (SPD Lengerich).
3) Der Rheiner SPD-Politiker und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD-AG „60 plus“, Reinhold Hemker, hat maßgeblich am Reformpapier mitgearbeitet.