
Zu viel Nitrat im Grundwasser, immer mehr Massentierhaltung oder das umstrittene Schwanzkürzen bei Ferkeln: Die Landwirtschaft steht oft im Blickpunkt von Verbrauchern und Politik. Dabei wird häufig nur geschimpft statt geredet. Die SPD-Kreistagsfraktion machte es anders. Sie traf sich jetzt zu einem intensiven Gedankenaustausch mit der Spitze des WLV-Kreisverbandes Steinfurt im Grünen Zentrum in Saerbeck.
„Viele Themen sind emotional stark besetzt“, sagte Peter Middendorf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion. „Gülle-Laster aus Holland und Ställe, die wie Fabriken aussehen, dann noch Schlagzeilen übers Grundwasser und über gefährdetes Tierwohl: das beunruhigt viele Menschen“, sagte Middendorf. Umso wichtiger sei es, mit den Landwirten im Gespräch zu bleiben.
Das sah der Kreisverbandsvorsitzende des WLV, Johann Prümers, ganz genauso. „Wir freuen uns über das Interesse der SPD, sich mit uns über aktuelle Themen auszutauschen.“ Prümers: „Wir Landwirte haben gespürt, dass wir uns mit unserer Arbeit von der Bevölkerung entfernt haben. Wir müssen sie den Verbrauchern wieder näher bringen.“
Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Carsten Spieker und dem WLV-Kreisgeschäftsführer Franz-Georg Koers stellte Prümers die sogenannte Nachhaltigkeitsoffensive des Landwirtschaftverbandes vor. Dabei gehe es darum, Baustellen zu beschreiben, Schritte zur Behebung der Probleme auf den Weg zu bringen und strategische Ziele zu beschreiben.
Das schmeckt den Landwirten nicht
Prümers räumte gegenüber der SPD offen ein, dass die Problembeschreibung durch den WLV nicht allen Landwirten schmeckt. „Wenn wir als Kreisverband sagen, dass Boden, Wasser, Luft und Tiere durch unsere Arbeitsweise geschädigt werden, dann sind unsere Mitglieder alles andere als begeistert.“ Nicht, weil sie uneinsichtig seien, sondern weil es schon jetzt eine Flut an Qualitäts- und Sicherheitsauflagen gebe.
Auf Nachfragen der SPD-Mitglieder machte Prümers aber deutlich, dass die Skepsis der Landwirte zwar zu der einen oder anderen „abgeschwächten Formulierung“ führen könne. „Das Ziel aber wollen wir nicht aus den Augen verlieren“, versicherte er auf Nachfrage der Kreistagsfraktions-Vorsitzenden Elisabeth Veldhues. „Wir wollen die Probleme im Wasser-, Umwelt- und Naturschutzbereich gründlich und nachhaltig bearbeiten. Dafür ist auch eine gewisse Zeit nötig.“ Es gehe um eine behutsame Weiterentwicklung, nicht um eine Agrarwende.
Umdenken gefordert
In dem Gespräch zeigten die Sozialdemokraten Verständnis. Sie machten aber auch deutlich, dass es unterschiedliche Ansichten gibt. Während etwa die SPD die Massentierhaltung und die Produktionsweise als „Industriealisierung der Landwirtschaft“ bezeichnet und ein Umdenken fordert, sind für die WLV-Spitze auch Schweinehalter mit bis zu 3000 Tieren noch eindeutig Familienbetriebe. „Da haben wir unterschiedliche Ansichten“, so der stellvertretende WLV-Kreisvorsitzende Carsten Spieker. Eine solche Größe sei allein schon der teuren Technik geschuldet und erforderlich, um das Familieneinkommen zu sichern.
Auf die Fragen der Sozialdemokraten, warum nicht mehr zur Verringerung der Nitrat- und Stickstoffeinträge ins Grundwasser getan werde, räumte Prümers ein: „Wir müssen noch wesentlich sensibler mit der Düngung umgehen.“ Er bezweifelte aber die Korrektheit vieler Messwerte. „Wenn gesagt wird, Deutschland habe nach Malta die höchste Grundwasserbelastung durch Nitrat, dann ist das schlicht falsch.“ Vielmehr würden die Werte oft an problematischen und veralteten Messstellen ermittelt. „Das ist dann ungefähr so, als ob man die Pisa-Studie nur an Sitzenbleibern durchführt.“
Nach fast zweistündiger Diskussion waren sich SPD und WLV-Vertreter aber einig, dass es ein gutes Gespräch war und der Dialog fortgesetzt werden soll.
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„Wir freuen uns über das Gespräch mit der SPD“, sagten Carsten Spieker, Johann Prümers (3. und 4. v.l.) sowie Franz-Georg Koers vom WLV-Kreisverband. „Der Dialog wird fortgesetzt“, betonten Peter Middendorf (l.) und Elisabeth Veldhues (2.v.l.), die mit ihren Fraktionskollegen Werner Kempers, Lothar Golde, Ruth Gering, Annette Wenzel und Anne Rottmann ins Grüne Zentrum gekommen waren.