SPD-Mitgliederparteitag: Fünf Wochen vor der Bundestagswahl ist noch alles drin / „Lasst uns ranklotzen!“
Emsdetten/Kreis Steinfurt. Fünf Wochen vor der Bundestagswahl ist der Wille der SPD zum Sieg ungebrochen. Das wurde auf dem Mitgliederparteitag in Emsdetten deutlich. „Ich bin davon überzeugt, dass viel mehr für uns drin ist als die aktuellen Umfragen sagen. Ein Wahltag ist keine Umfrage, das ist eine Abstimmung! Lasst uns ranklotzen, lasst uns alle für einen schönen Wahlabend am 24. September kämpfen!“ Der donnernde Applaus im großen Saal von Stroetmanns Fabrik zeigte, dass NRW-SPD-Chef Mike Groschek mit diesem Appell den Mitgliedern aus der Seele sprach.
Deutlich über 120 Parteimitglieder waren aus allen SPD-Ortsvereinen im Kreis Steinfurt gekommen – viel mehr, als erwartet. Der zunächst gebuchte kleinere Saal reichte nicht, der Umzug in den großen Saal war unumgänglich. „Das allein ist schon eine Botschaft!“, freute sich Jürgen Coße, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Kreis Steinfurt. Er lobte zur Begrüßung die Parteimitglieder. „Dass heute der Landesvorsitzende zu uns gekommen ist, zeigt auch die große Wertschätzung für die Arbeit der Genossen im Kreis Steinfurt.“

SPD-NRW-Chef Mike Groschek, Hauptredner des Abends, zeigte sich dann in Höchstform. Vielleicht hatte ihn das leckere Bierchen zusätzlich motiviert, das ihm ein besonders freundlicher Gastgeber zuvor bei den Haustür-Besuchen in Emsdetten angeboten hatte.
Das Bierchen tat gut
Gemeinsam mit Jürgen Coße, dem SPD-Bundestagsabgeordneten für das Tecklenburger Land und die Emsschiene, war Groschek im Nieselregen von Tür zu Tür gezogen und mit vielen Emsdettenern ins Gespräch gekommen. „Nirgendwo gab es mürrische oder unfreundliche Leute. Und das mit dem Bierchen fand ich wirklich klasse“, freute sich Groschek.
Klar ist: Ein Mikrophon hätte Mike Groschek eigentlich nicht gebraucht. Der SPD-Landeschef kommt auch ohne sehr deutlich rüber. Und hätte ihn die Bundeskanzlerin an diesem Abend in Emsdetten gehört, hätten ihr wohl die Ohren geklingelt.
Denn Groschek knöpfte sich Merkel persönlich vor. Er warf ihr vor, stets nur im Vagen zu bleiben und nie klare Kante zu zeigen. „Sie muss sich endlich stellen für die Politik, die sie zu verantworten hat!“ Dieser Politik des „Merkel-Murks“ erteile die SPD eine klare Absage. „Nicht mit uns!“ Groschek nannte eine Reihe von Beispielen.
- „Merkel-Rente bedeutet weniger Rente für die Menschen. Geht es nach der CDU, soll das Rentenniveau ab nächstem Jahr von jetzt 48 auf 43 Prozent gesenkt werden. Und Herr Spahn sagt, bis 70 zu arbeiten mache doch Spaß. Ja klar, wenn man so arbeitet wie er selbst, dann vielleicht. Aber sagen Sie das mal einer Krankenschwester oder einem Bauarbeiter!“ Mit der SPD werde es weder eine Absenkung der Rentenhöhe noch eine Anhebung des Lebensalters geben.
- „Merkel-Rüstung bedeutet 34 Milliarden Euro für neue Bomber und Bomben statt für bessere Bildung. Das ist kein Weg, um den Frieden zu sichern oder zu erhalten. Damit es klar ist: Wir sind für die dringend erforderliche bessere Ausrüstung der Bundeswehr, aber wir sind dagegen, Milliarden für die Modernisierung der US-Atombomben in der Eifel auszugeben.“
- „Merkel-Sicherheit heißt, dass uns 20 000 Bundespolizisten fehlen. Warum haben wir denn an Flughäfen oder Bahnhöfen Probleme? Das ist doch die Folge davon, dass CDU und FDP beim Personal immer weiter abgebaut haben, weil sie weniger Staat wollen. Mit uns als SPD bekommt der Bürger einen Staat, der ihn schützt und nicht im Stich lässt!“
- „Merkel-Lohn heißt, dass Frauen im Schnitt immer noch 23 Prozent weniger verdienen als Männer. Und es heißt, dass die Befristung von Jobs ohne jeden Sachgrund nicht abgeschafft wird. Das wird mit uns anders, wenn Martin Schulz Kanzler ist.“
- „Merkel-Steuern bedeuten Ungerechtigkeit. Wer viel verdient, bekommt viele Steuern zurück, wer wenig verdient, wenig. Das werden wir nicht weiter zulassen.“
- „Merkel-Gesundheitspolitik ist eine Zwei-Klassen-Medizin, die mit dem dicken Portemonnaie können sich Gesundheit erkaufen. Alle Menschen müssen aber das gleiche Recht auf eine gute medizinische Versorgung haben. Deshalb: Her mit der Bürgerversicherung, in die alle einzahlen!“
- „Merkel-Familienpolitik bringt Familien nichts. Eine wirkliche Entlastung schafft man nicht, indem ein paar Euro weniger an Steuern bezahlt werden müssen. Die größte Hilfe ist stattdessen, wenn Bildung und Erziehung gebührenfrei sind. Es ist doch ein Witz, dass Kita-Plätze immer noch mit Gebühren bezahlt werden müssen.“
Gerechtigkeit lasse sich nicht mit Sonntagsreden erreichen, warf Groschek der Kanzlerin und ihrer Partei vor. „Gerechtigkeit lässt sich am Kontoauszug abgelesen!“ betonte Groschek.
Nicht im Schweinsgalopp in eine neue Koalition
Er nahm in seiner Rede auch die neue schwarz-gelbe Landesregierung ins Visier. Ihr attestierte er einen Fehlstart und eine Politik der sozialen Ungerechtigkeit. „Umso mehr sind wir als SPD verpflichtet, die Partei der sozialen Gerechtigkeit zu sein, die an ihren Werten festhält.“ Dies müsse auch die Messlatte für die künftige Regierungsbildung sein. „Egal, wie das Ergebnis ausfällt: Wir dürfen auf keinen Fall im Schweinsgalopp in eine neue Koalition gehen“, sagte Groschek unter großem Beifall der SPD-Basis.
Nach der mit langem Applaus bedachten Rede des Parteichefs stellten sich die drei Bundestagskandidaten aus dem Kreis Steinfurt den Mitgliedern noch einmal vor: Ingrid Arndt-Brauer, Ulrich Hampel und Jürgen Coße.
Wählerpotential für SPD ist doch da

Arndt-Brauer sagte, es sei noch genügend Zeit bis zur Bundestagswahl, um gute Stimmung für die SPD zu verbreiten. „Bitte redet gut über die Partei und ihre Kandidaten. Das Potential von 30 Prozent Wählerstimmen, das wir im Februar noch hatten, ist doch nicht weg. Wir müssen sie nur für uns gewinnen!“, sagte sie. Arndt-Brauer bat auch darum, an den Info-Ständen für den Wahlsieg zu kämpfen. „Nur auf dem Sofa ein bisschen über die SPD-Ziele zu posten und zu twittern, das wird nicht reichen.“ Sie stellte zudem ein Zehn-Punkte-Programm vor, mit dem die Parteimitglieder „kurz und knackig“ die wichtigsten SPD-Positionen vertreten können.
„Rettet die schwarzen Seelen“

Ulrich Hampel, der gelernte Bergmann, verließ das Rednerpult für seine Ansprache und mischte sich mit Mikrophon unter die Mitglieder. Er erinnerte an das, was nur dank der SPD seit 2013 umgesetzt worden sei – zum Beispiel der Mindestlohn – und steckte wie zuvor Groschek und Arndt-Brauer die wichtigsten SPD-Positionen zur Wahl ab. Auch er forderte Kampfgeist und Einsatzwillen. „Ran an die Türen! Jede schwarze Seele, die wir retten, ist eine gute Tat!“
Realität statt Universität

Gastgeber Jürgen Coße betonte, der Wahlkampf sei die schönste Zeit für einen Politiker. „Nie kommt man so oft wie in dieser Zeit mit den Menschen ins Gespräch.“ Er habe nicht studiert, aber: „Meine Universität ist die Realität der Menschen.“ Hinhören, sich kümmern, von Tür zu Türen, die Menschen kennenlernen – das sei die Leitschnur seines Handels. Und: „Ich habe ein klares Ziel vor Augen: Ich will meinen Wahlkreis direkt gewinnen“, sagte Coße unter dem großen Beifall der SPD-Basis.
Er betonte in seiner kurzen Rede, es gehe bei der kommenden Bundestagswahl auch darum, die demokratischen Grundwerte zu verteidigen: „Genau deshalb darf die AfD nicht in den Bundestag kommen.“ Auch zum Thema Flüchtlingspolitik bezog Coße klar Position: „Einige Leute aus der CDU glauben offenbar, sie könnten die Flüchtlingskrise in Talk-Shows lösen.“ Die Flüchtlingskrise lasse sich aber nur lösen, wenn wir mit unserer Politik dafür sorgen, dass die Menschen in ihrem Heimatland gut leben können.“