AG 60 plus informierte sich über „Buurtzorg-Betreuungsmodell“ in Hörstel
Buurtzorg, übersetzt Nachbarschaftshilfe, revolutioniert seit 2007 das niederländische Pflegesystem und begeistert auch in Deutschland immer mehr Menschen. Was sich dahinter verbirgt und wie dieses System funktioniert, darüber informierten sich Mitglieder der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus in Hörstel. Denn hier wird seit mehr als einem Jahr dieses Pflegemodell durchgeführt.
„Buurtzorg ist das maßgebende Pflegemodell aus den Niederlanden. In nur 10 Jahren ist die Stichting Buurtzorg zum größten Pflegeanbieter mit über 14.000 Beschäftigten geworden. Das Besondere ist, dass diese 14.000 Menschen alle in kleinen, unabhängigen Pflegeteams mit maximal 12 Kolleginnen und Kollegen arbeiten: ohne Pflegedienstleitung, ohne Hierarchien, ohne Chef“, erläuterte Udo Janning (Foto) von der Sander Pflege GmbH, die dieses Modell auch in Deutschland einführen wird.
Zeitdruck bei der Pflege, unzufriedene Pflegerinnen und Pfleger, ein sinkendes Interesse an den Pflegeberufen seien nur wenige Stichworte, die seit Jahren den Notstand in diesem Bereich kennzeichnen würden. „Wir wollen andere Wege gehen“, erläuterte Janning den Gästen aus dem Kreis Steinfurt.
Buurtzorg steht für ein ambulantes Pflegesystem, das den Patienten und Pflegebedürftigen ein eigenständiges Leben ermöglicht und ihre Selbstfürsorge aktiv fördert. Die Pflegerinnen oder Pfleger erkunden durch Gespräche mit Patienten und Angehörigen die gesamte Lebens- und Wohnsituation und entscheiden dann, welche Pflege in welcher Form notwendig ist. Anders als im herkömmlichen Pflegedienst sind sie dabei nicht mehr nur Fachkräfte, die ausführen, was der Arzt oder die Pflegedienstleitung angeordnet hat. Vielmehr organisieren und koordinieren sie die gesamte Unterstützung und stehen in direktem Kontakt zu Ärzten, Krankenhaus, Physiotherapeuten oder anderen Spezialisten. Vor allem aber beziehen sie Angehörige, Freunde, Nachbarn und Ehrenamtliche ein. Dabei wird ein ständiger Wechsel der Pflegekräfte vermieden, was auf beiden Seiten zu Sicherheit und Vertrauen führt.
Doch nicht nur für die Patienten und deren Familien führt das System zu einer großen Zufriedenheit. Das Besondere an Buurtzorg ist, dass es auch die Arbeit der Pflegekräfte völlig verändert, indem es ihnen ein hohes Maß an Eigenverantwortung überträgt. Die Pflegerinnen und Pfleger arbeiten in Teams von vier bis maximal zwölf Fachkräften. Sie sind zwar bei einem Pflegedienst angestellt, arbeiten aber selbstständig mit eigenem Budget und entscheiden auch, wer in ihr Team aufgenommen wird. Müssen sie bisher, manchmal mit Murren und einem gewissen Unmut, hinnehmen, was ihnen die Pflegedienstleitung in den Plan schreibt, sind sie nun gefragt, selbst Verantwortung zu übernehmen: Sie suchen neugierig und engagiert nach Lösungen und wirken an der Zukunft einer anderen Pflege aktiv mit. Zugleich werden sie von Verwaltungsaufgaben wie z.B. der Rechnungstellung entlastet, da dies der Pflegedienst, bei dem sie angestellt sind, übernimmt.
Dass das Modell funktioniert, zeigt der Niederländer Jos de Blok, der die Idee 2007 entwickelte und mit anfangs vier Pflegefachkräften in die Tat umsetzte. Heute zählt der Dienst mit dem Motto „Menschlichkeit vor Bürokratie“ in den Niederlanden 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wurde mehrfach zum besten Arbeitgeber des Jahres gewählt und hat zu einer starken Aufwertung der Pflegeberufe geführt. In zahlreichen Ländern und auch in Deutschland steigt das Interesse an dem Modell. Denn nach den Patienten und den Pflegekräften profitiert auch das Gesundheitssystem, indem es die Attraktivität der Pflegeberufe steigert und gleichermaßen die Patientenzufriedenheit erhöht und die Kosten der Pflege senkt. Deshalb wird das Buurtzorg-Projekt der beiden Pflegedienste Impulse (Emsdetten) und Sander (Hörstel) auch von regionalen politischen und wirtschaftlichen Akteuren unterstützt und von der Fachhochschule Münster wissenschaftlich begleitet.
Dass das Seniorenzentrum Marienhof nicht nur in der ambulanten Pflege neue Wege geht, sondern auch im stationären Bereich, davon konnten sich die Besucherinnen und Besucher bei einem anschließenden Rundgang durch die einzelnen Abteilungen überzeugen.
Weitere Informationen unter:
hoerstel@nullbuurtzorg-deutschland.de